Donnerstag, 8. September 2011

Fahrendes Gedankengut und warum ich manchmal doch an den lieben Gott glaube

12 Stunden Busfahrt stehen mal auf der Tagesagenda. 12 Stunden auf dem Weg zu meinem letzten Reise-Höhepunkt, falls nicht doch rein zufällig Charlize Theron des Weges vorbei kommt und mir einen Heiratsantrag machen wird. Die Chancen stehen nicht gerade 50:50, dass es passiert, aber wie beim 1. FC Köln stirbt die Hoffnung zuletzt.

Und so werde ich mich anstatt auf das südamerikanische optische Schmankerl Charlize Theron, die meine Ex-Freundin noch völlig zu unrecht als "normal aussehend" einstufte, auf die Iguazu Wasserfälle freuen. Die Iguazu Wasserfälle waren der erste Grund, warum ich meine Reise angetreten habe und wird nun mein letztes Highlight der Reise sein. Was für ein Abschluß! Das letzte Mal, als ich so aufgeregt war, war als ich das gelesen habe, dass die Sonderausgabe des Kickers zur neuen Bundesliga Saison bald erscheint.

Die letzten Tage hier in Brasilien konnten an Luxus kaum überboten werden. Ich hatte das Glück, bei einem Freund der Familie auf einer Insel in seinem Ferienhaus unterzukommen. Wobei das Wort es nicht wirklich trifft. Das Anwesen hatte alles, was man sich wünscht: Gästezimmer, einen großen Pool, einen Kamin, eine Haushälterin, die mich mit Caipirinha täglich abgefüllt hat und ein traumhaftes Abendessen zubereitet hat. Dazu gab es einen Blick aufs Meer, der Postkartencharakter hatte. Zum krönenden Abschluß wurde ich noch mit auf sein Segelboot genommen. Aus Diskretionsgründen kann ich hier leider keine Fotos veröffentlichen, aber stellt euch eine große Villa am Hang mit Pool vor und mittendrin steht der Larsinho und freut sich des Lebens.


Sonne und Segeln vor der Ilhabela, der "schönen Insel".

Und dennoch hat mich während der letzten sieben Tage, seit Rio, ein Ekel verfolgt. Ein bayerischs Mädel, das ich im Hostel kennengelernt habe und die den gleichen Weg nach Iguazu plant wie ich. Und da Reisen zu zweit mehr Spaß macht als alleine habe ich sie nach Rücksprache mit dem Haus-Eigentümer mit auf das traumhafte Anwesen genommen. In Laufe der Zeit habe ich dann gemerkt, dass man Menschen nicht sofort als Reisepartner in Betracht ziehen sollten, es sei denn, sie tragen ein Bayern- oder zumindest ein Deutschlandtrikot.

Diese junge Frau, 24 Jahre alt und gerade in Rio eingetroffen, um ihre gut eineinhalbjährige Weltreise anzutreten, hat merkwürdige Eigenschaften. Hier die Top-5 Gründe, warum ich mir das nächste Mal länger Zeit lassen werde, um mir einen geeigneten (!) Reisepartner auszusuchen:

Nummer 1. Sie lacht nach fast jedem Satzende

So etwas habe ich noch nicht erlebt! Wie kann man nahezu nach jedem Satz lachen, obwohl noch nicht einmal im Ansatz irgendeine Pointe zu finden ist, lachen? Es ist nichts lustig, was sie erzählt, nicht einmal, wenn ich alle Drogen dieser Welt mir reinziehen würde. Selbst mit Lachgas würden ihre langweiligen Sätze eher für einen Heulkrampf als für einen Lachanfall sorgen.

Nummer 2: Ich find das immer so lustig, dass...

Ach, findest du das lustig? Wirklich...? Ich finde es nämlich ganz und gar nicht witzig, dass man jeden zweiten Satz mit "Ich find das immer so lustig" anfangen muß. So ist es z.B. nicht witzig, wenn man so einen Satz anfängt und dann über das Wetter, das Studium oder ihre grottenlangweiligen Geschichten über noch langweiligere Pferde erzählt, wo ich mir schon nach der ersten Silbe den Einmarsch der Außerirdischen wünsche, die mich auf einen fernen Planeten entführen, vielleicht zu Alf, mit dem ich mich über Klatsch und Tratsch aus dem Universum unterhalten könnte und über seine Freundin Rhonda oder über die dreiköpfige Krankenschwester und wo "Ich find das immer so lustig"-Satzanfänge per Gesetz verboten sind und mit einer 24-Stunden Frank Elstner Fernseh-Endlosschleife bestraft werden. Scottie, beam me up! Schnell!

Nummer 3: Jaaaaa, ich gebs ja zu...

...dass du langweilig bist? Dass ich mir nicht vorstellen kann, dass du jemals einen Freund hattest, den du nicht binnen Nanosekunden zum Wahnsinn getrieben hast? Hier ein Tip vom Larsinho: Menschen machen Fehlentscheidungen, Fehler, schlagen falsche Wege ein oder irren sich. Ob große oder kleine Fehler des täglichen Lebens. Das ist menschlich, jedoch noch lange kein Grund, jedesmal aufs Neue Sätze mit "Jaaaaaaaaaa, ich gebs ja zu" anzufangen, weil die Info, die danach kommt, es noch nicht einmal auf die letzte Seite einer Zeitung schaffen würde, selbst dann nicht, wenn du der letzte Mensch auf Erden wärst und es außer dir sowieso keiner lesen wird, weil der Informationsgehalt derart gering ist, dass es nur Verschwendung von Druckerschwärze wäre.

Nummer 4: Halt einfach's Maul...

Bei 7.845 habe ich aufgehört zu zählen, wie oft mich mir gewünscht habe, dass sie einfach nur die Klappe hält. Würde sie im Fernsehen auftreten und ich aus Versehen auf den Sender zappen, in dem sie auftreten würde, würde ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen neuen Weltrekord im Umschalten aufstellen, so schnell würde mein Finger die Taste drücken. Und hier noch ein persönlicher Tipp an ein bayerische Frau, die ich vor Kurzem kennengelernt habe: Auch im zarten Alter von 24 Jahren sollte man merken, dass, wenn zwei Personen, die einem gegenüber sitzen und in eine völlig andere Richtung schauen, dass man den Satz schnellstmöglich (!) beendet, weil die vermeintlichen Zuhörer das sprichwörtliche Weite gesucht haben, weil das, was du gerade erzählst, ganz offensichtlich nicht auf offene Ohren gestoßen ist.

Nummer 5: Sie interessiert sich nicht für Fußball

Muß ich noch mehr schreiben...?

(PS: An alle Jungs, die diese eine Frage stellen möchten, hier die Antwort: nein, ist sie nicht.)

Und so mußte ich fast eine Woche mit ihr überleben und zu drastischen Maßnahmen greifen, um zumindest teilweise die Nachmittage alleine zu verbringen: Ich erzähle ihr, dass ich zu dem Fußballmuseum gehe (in Sao Paulo, grandios, absolut spitze, leider durfte ich keine Fotos machen), obwohl ich wußte, dass das Museum montags geschlossen ist, wie mir der Inhaber des Hostels erzählte. Unter diesem Vorwand bin ich dann in die Altstadt gefahren, alleine, die Musik ist mein alleiniger Begleiter, herrlich, kein Lachen, keine langweiligen Infos, Freiheit. Als ich die mitterlweile gefühlte 584. Kirche betrete, ein Foto mache und dann in Richtung Ausgang gehe schlage ich innerlich die Hände über dem Kopf zusammen. Ihr ahnt es schon, wer direkt auf mich zugelaufen kommt: die personifizierte Langeweile. Ich brauche einen Notfallplan und schicke ein Gebet zum lieben Gott, dass sie mich nicht sieht, was ebenso realistisch ist ein lebenslanger Bierverzicht.


Hier fühle ich mich pudelwohl. Vor einem Stadion. Im Innneren des Stadions ist das Museo do Futebol untergebracht, eines der besten Museen, die ich je besucht habe, wenngleich ein Großteil der Infos auf Portugiesisch sind.

Der liebe Gott muß meine spontanen Stoßgebete aber gehört haben, und das, obwohl ich aus der Kirche ausgetretem bin, denn aus mir unerklärlichen Gründen sieht sie mich nicht, was nahezu wirklich unmöglich ist, da ich direkt an ihr vorbeilaufe. Aber sie scheint sich so auf das Innere der Kirche so konzentriert haben, dass sie mich nicht sieht! Ich sag nix, grüße nicht, eile ganz schnellen Trittes aus der Kirche raus und lege die nächsten 50 Meter in persönlicher Bestzeit zurück und glaube wieder an den lieben Gott.


In dieser Kirche ging sie an mir vorbei. Was für ein Glück!

Aber der Kampf ist noch nicht gewonnen, da sie weiter überlegt, ob sie direkt zu den Iguazu Wasserfällen fahren soll oder eine Zwischenstation weiter südlich einlegen soll. Glücklicherweise entscheidet sie sich für den Umweg, meine restlichen Tage sind gerettet, vorausgesetzt, ich sehe sie nich bei den Wasserfällen wieder.

Man sieht sich immer zweimal im Leben. Wiedersehen macht Freude. Beides keine Floskeln, deren Praxis ich erleben möchte.

Euer Larsinho

2 Kommentare:

  1. Ich klammer mal bewusst Deine schlimmen Erlebnisse aus...

    aber was musste ich grad lachen, dass es eine weitere Person auf dieser Welt gibt, die weiss, dass ALFs Freundin Rhonda hiess... :-D

    Hennes

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  2. Klar! Fernseh-Detailwissen gehört zum A und O der Fernseherziehung ;-). Wenn du weißt, wie die dreiköpfige Krankenschwester heißt - ohne zu googeln - geb ich dir ein Kölsch aus! Aber NICHT googeln!!!
    Lars

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