Samstag, 28. Mai 2011

Rien ne va plus - nichts geht mehr in Puno

Nachdem wir die teils schöne, teils illegale Schifffsfahrt überstanden haben, in Puno angekommen sind und ich glücklicherweise nicht meine erweiterten Seepferdchen-Fähigkeiten unter Beweis stellen mußte, um an das Ufer zu kommen, benötigten wir den offiziellen Einreisestempel Perus. Nachdem uns ein Polizist den Weg gezeigt hat machten wir uns in Richtung Innenstadt. Leider zu Fuß, denn die kleinen motorisierten Motortaxen wollten uns nicht fahren. Komisch, dachten wir uns, und gingen weiter.

Nur wenige hundert weiter kamen uns dann schon die ersten Menschenmengen entgegen. Wir treffen auf andere Reisende und fragen uns nach dem Migration-Office durch. Eine Einheimische warnt uns davor, auf den Plaza de la Armas zu gehen, weil dort die Hauptkundgebungen der Minenarbeiter stattfinden würden und uns unsere Rucksäcke klauen würde. Da ich das Wort "Angst" nur aus Erzählungen anderer kenne, ich obendrein mit meinem MacGyver-Messer ausgestattet bin und ich es für nicht möglich halte, dass sie auch nur in Erwägung ziehen, einen gefühlen Fünf-Meter-Hühnen aus Deutschland anzugreifen, schreite ich mutigen Schrittes an die Spitze unserer Drei-Mann-Reisegruppe-Reiselust-Spezialeinheit. Nach hundert Meter erreichen wir den Plaza de la Armas (hier ein Bild vom darauffolgenden Tag):


Der Platz ist voll, ich leider nicht. Die Demonstranten schlafen überall da, wo Platz ist, es riecht nicht gerade nach Aprilfrische und der eine odere andere würde sich sicherlich über eine warme Dusche freuen. Warmduscher! denke ich mir noch und höre, wie die ersten Demonstranten "Turistas" rufen. Das Migrations-Office ist genau seitlich des Platzes. Wir klopfen an dem Tor und erhalten Eintritt.


Hinter diesem Tor verbirgt sich der Ort, wo wir unsere Einreisestempel kommen. Was für ein Aufwand für ein bißchen Tinte im Ausweis. Drinnen spricht mich ein halbseidener Mensch mit kugelrunder Plautze an und bietet mir ein Zimmer in seinem Hotel an. Nach kurzer Rücksprache mit den Offiziellen lasse ich mir seine Seriosität bestätigen und folge ihm in sein Hotel. Auf dem Weg dahin treffen wir wieder auf Demonstranten:



Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zu den verschiedenen Reiseagenturen und versuchen, irgendwie aus der Stadt herauszukommen. Die Informationen, die wir erhalten, sind so vielfältig wie meine Schummelversuche damals in der Schule. Eine genaue Auskunft kann uns keiner geben, die Infos reichen von "Busbahnhof geöffnet", "eventuell fährt heute Abend ein Bus" und "kommt um 18 Uhr wieder". Vorher irren wir durch die von Demonstranten und Demonstrantenlager errichtete Stadt Puno.


Und sie laufen immer noch durch die Stadt. Hintergrund der Demo ist der bevorstehende Verkauf einer Mine an ein kanadisches Unternehmen. Die Minenarbeiter und Bauern fürchten nicht um ihre Jobs, sondern um die Verschmutzung der Umwelt.


Überall sitzen, liegen und pinkeln die Demonstranten. Wenn die Stadt in naher Zukunft das Siegel "Unesco-Weltkulturerbe" haben möchte müssen sie sich ins Zeug legen. So wird dat nix.


Der Kreativenausschuß der Demonstranten hat beschlossen, dass weder Autos, noch Busse oder Taxen durch die Straßen fahren dürfen und legen Steinbrocken auf die Straße.


Zwischen all den häßlichen Gebäuden sehe ich dann endlich einen Lichtblick. Spontan setze ich mich vor diesen überlebenswichtigen Laden und demonstriere für eine Weile für den Erhalt dieses Geschäftes. Auch hier leiste ich wieder einen Beitrag für das Gemeinwohl der Menschheit. Einen von mir selbst geforderten Orden bekomme ich leider nicht überreicht.


Diese Straßensperre wird ihrem Namen endlich gerecht. Leider sind die Steinbrocken genau vor dem Eingang des Busbahnhofs, der ja angeblich offen sein soll. Den Wahrheitsgehalt des Typen, der uns gesagt hat, das Busterminal ist geöffnet, beträgt nach Prüfung vor Ort 0 Prozent. Wir gehen weiter zum Bahnhof. Dort grüßt uns ein Militärpolizist mit seinem Maschinengewehr, im Hintergrund sehen wir seinen gepanzerten Wagen. 48 Stunden lang darf friedlich demonstriert werden, danach rückt das Militär ein, hören wir von verschiedenen Seiten.


Bei einer Agentur, wo wir erneut nach einem Busticket frage, mache ich Freundschaft mit kleines Mädchen ohne Namen aus Peru. Nachdem sie mir 34 mal gezeigt hat, wie toll sie vom Bordstein springen kann, bleibt noch Zeit für ein Foto. Das Springen hat nicht nur ihre gute Laune gefördert, sondern auch noch ihren Stuhlgang, wie ich riechen kann. Dennoch lasse ich mir die gute Laune nicht verderben, denn ein paar Stunden später haben wir tatsächlich einen Bus nach Cuzuco.

Wir müssen eine halbe Stunde samt Gepäck den einzigen Berg rauf, den Puno zu bieten hat.

Am Nachmittag macht das Gerücht die Runde, ein Minibus wartet am Stadtausgang auf Reisende. Spontan machen wir uns auf den Weg, verpassen ihn aber leider um zehn Minuten. Ein dahergelaufener Peruaner, Anfang 20, schwarze Jacke, Sonnenbrille, vom Typ "dir traut sowieso keiner" bietet mir spontan eine Mitfahrgelegenheit in einem Bus an. Ich soll ihm kurz folgen. In eine ca. ein Meter Breite Gasse, die zu einem Hinterhof führt. Ich halte Blickkontakt zu Stefan und Silja und signalisiere, dass alles in Ordnung ist. Natürlich bin ich nicht so doof und gehe mit ihm. Eine ältere einheimische Frau eilt mir zu Hilfe und rät mir ab, mit ihm zu gehen. Nach kurzer Rücksprache mit ihm kommt eine jüngere Frau aus dem Hinterhof, die sie wohl kennt und bittet mich in ihr offizielles Büro. Dort ist auch der Typ wieder und will die Bürotür, die zur Straße reicht, schließen. Ich stelle mich in die Tür, sodaß der halbseidene Typ die Tür nicht schließen kann und gebe Stefan und Silja Handzeichen, dass weiterhin alles in Ordnung ist. Schnell beschließe ich, das dubiose Büro zu verlassen. Wir verabschieden uns von der netten Frau und danken für ihre Hilfe.

Am Abend sitzen wir dann tatsächlich im bequemen Bus. Die nächsten 20 km Straße sind begleitet von Wegblockaden, brennenden Autoreifen und tausenden von Steinen und teils großen Felsbrocken auf der gesamten Straße. Immer wieder muß der Busfahrer aussteigen, um Steine aus dem Weg zu räumen. Der Busfahrer läßt sich auch von wüst schimpfenden Demonstranten nicht abbringen, den Weg fortzusetzen. In der Zwischenzeit werden wir aufgefordert, die erste Reihe oben im Bus zu räumen. Aus Sicherheitsgründen.

Nach sechseinhalb Stunden kommen wir nachts um vier Uhr sicher in Cuzco an. Endlich normale Leute. Ich falle ins Bett und zähle gedanklich die Leichen, die Chuck Norris auf dem Weg nach Cuzco ins Jenseits befördert hätte.

Worst case szenario

Heute wurde ich von einem Engländer für einen Holländer gehalten. Ich erkläre ihm kurz, dass wir hier nicht in Vietnam sind und es Regeln gibt und wenn er es nochmal wagen würde, mich als Hollände zu beschimpfen, würde er die Welt des Schmerzes betreten. Die Welt des Schmerzes! Habe ihm dann umgehend aus kürzester Entfernung mit einer Zwei-Liter-Frank-Rijkaard-Gedächtnis-Spuckattacke bedacht und ihm so zweifelsfrei deutlich gemacht, was ich von seiner Einschätzung halte: nix.

Noch in der Nacht schmiede ich Angriffspläne auf England, weiche aber für einen Moment vom dem todicheren Plan ab und warte einfach auf das nächste Elfmeterschießen gegen England, für das sich noch nicht einmal unsere Frauen-Fußball Nationalmannschaft warm machen müßte. Und wieder einmal habe ich Deutschland im Kampf gegen England würdig vertreten. Wo liegt eigentlich dieses England? frage ich mich und kehre zurück an die Bar.

Freitag, 27. Mai 2011

Legal, illegal, scheißegal

Vor ein paar Tagen hatte ich folgenden Plan: Mit dem Boot rüber nach Peru, nach Puno, und dann weiter nach Cuzco zu einem der absoluten Highlights meiner Reise: Macchu Picchu. Wenn ich eines auf meiner Reise gelernt habe, neben der Tatsache, dass hier (leider) mehr Engländer herumlaufen als in Großbritannien selbst, dann, dass es immer gut ist, einen Plan B zu haben. Warum das so ist, erzählt euch der Märchenonkel Larsinho von Anfang an.

Es war einmal der Larsinho, der wollte nach Peru. Also begab er sich früh morgens zum offiziellen Grenzübergang.


Neben mir warteten noch ein paar Lemminge mehr, sich hier den Ausreisestempel abzuholen. Plötzlich und unerwartet begab sich eine kleine Menge weg von dem Gebäude, runter zum See. Ohne Stempel. Den Stempel sollen wir wohl unten am See bekommen. Weil auch ich mich einmal in meinem Leben wie ein Lemming fühlen wollte folgte ich der internationalen Lemminge-Truppe.


Ach, is dat schön hier unten. Bestimmt bringen die mir gleich einen Kaffe, servieren ein leckeres Frühstück und dann bin ich in nullkommanix auf dem Boot in Richtung Peru.


Als ich dann aus meinem Tagtraum aufgewacht bin standen Hunderte von verwirrten Menschen vor, neben und hinter mir und warteten ebenso wie ich auf eines der Boote, die schon längst hätten ankommen sollen.


In der Zwischenzeit wurde binnen Nanosekunden der "Grenzübergang" mit einem Schreibtsich versehen, wo wir uns später (!), ganz viiiel später, den Ausreisestempel abholen konnten.


Nach insgesamt drei Stunden Wartezeit im Niemandsland von Bolivien habe auch in dann mein Stempel bekommen.


Wer noch vor dem Grenzübergang Geld wechseln wollte konnte dies an dieser Außendienststelle der Weltbank machen.


Dann ging die Schlacht um die Plätze auf dem Boot los. Ursprünglich waren wir eine 7er Gruppe. Dann war ich auch einmal im Leben clever und habe mir vor den anderen den Stempel geholt, denn plötzlich war das Boot voll, unsere Reisegruppe "Reiselust" mußte getrennt werden.


Nix geht mehr, das Boot ist sprichwörtlich voll. Und wer ist auf dem Boot...?


Richtig! Der Larsino! Vor mir liegen acht Stunden Schifffahrt. Acht Stunden über den Titicacasee. Acht Stunden auf dem Deck der MS Dingsbums. Acht Stunden, das ist die Zeit, die ein Flugzeug braucht von Köln nach New York. Allerdings fahren wir mit gefühlen minus 30 km auf dem Titicacasee in Richtung Peru.


Die ersten drei Stunden mache ich genau...nix. Ich schaffe es tatsächlich, mich während der ersten drei Stunden nicht zu bewegen. Nicht einmal ein Augenblinzeln geht mir übers Gesicht. Selbst das Atmen geht ganz von alleine. Acht Stunden lang nix tun scheint am Anfang ein ziemlicher Selbstläufer zu sein. Anfangs wollte ich noch die Wolken am Himmel zählen, aber das erschien mir zu anstrengend.


Seit der Isla del Sol reise ich gemeinsam mit Stefan und seiner Freundin Silja durch die Gegend. Nach den ersten drei Stunden wache ich auf und unterhalte mich mit Stefan über...natürlich Fußball. Stefan ist ebenso Bayern-Fan und trinkt auch ganz gerne mal ein Bierchen. Die restlichen Stunden reden wir über Fußball, den Kaiser und warum Fußball und Bier trinken einfach zusammengehören.


Es wird dunkel und der Himmel zeigt ich von seiner schönsten Seite.


Dem Himmel so nah. Dem Grenzübergang auch.

Als es dunkler wird, wird es merkwürdig. Wir sind ein paar Kilometer vom Hafen entfernt. Das Schiff fährt weiterhin ohne Licht auf den Hafen zu. Zirka einen Kilometer vor dem Hafen werden wir alle unter Deck gebeten. Es brennt weder innen noch außen Licht. Wir sollen uns ducken und ruhig sein. Fragende Blicke, wohin ich gucke. Sind wir illegal auf dem Weg nach Peru? So langsam aber sicher kommen einem die Geschichten von gesunkenen Schiffen von illegalen Grenzübergängern in den Sinn. Wir fahren langsamer, der Kapitän schaltet einen Motor aus.

Es ist muxmäuschenstill im Boot. Wir sind ca. 100 Meter vom Hafen entfernt, da entdecke ich eine rote Taschenlampe am Hafen. Offiziell sieht das nicht aus. Fühlt sich auch nicht so an. Es scheint nicht so, dass der Kapitän WEISS, wo er anlegen soll. Ich überlege, wie weit ich wohl zum Ufer schwimmen kann, wenn das Boot jetzt untergehen sollte, denn wir sind mehr als die erlaubten 30 Personen an Board inklusive Gepäck. Ich überlege mir Schwimmszenarien, wie ich mit meinem Rucksack und meinem Netbook, auf dem ALLE Infos und Fotos sind, das Land erreiche. Glücklicherweise habe ich vor ca. 30 Jahren das Seepferdchen-Abzeichen mit Bravour bestanden, da sollte es doch machbar sein, mit kompletter Kleidung und einem Rucksack an Land zu schwimmen.

Als wir anlegen warten sechs Männer in Uniformen auf uns. Durchrennen und das Gepäck an Borad lassen oder alle in bester Steven-Segal-Manier kampfunfähig machen und dann mein Gepäck holen? Diese zwei Optionen schießen mir spontan in den Kopf. Da ich aber aktuell außer Training bin und mir nur zutraue, fünf Männer binnen zwei Sekunden fertig zu machen warte ich ab. Als wir anlegen und die ersten Personen das Schiff verlassen, tun die Polizisten genau das: nix. Wir nehmen unser Gepäck, ich grüße die Polizisten, während sie wahrscheinlich zeitgleich innerlich anfangen zu beten, dass ich sie nicht vor versammelter Mannschaft kampfunfähig gemacht habe und gehe in Richtung Migrations-Office, um den offiziellen Einreisestempel von Peru zu holen.

Auf dem Weg dahin laufen uns tausende Demonstranten entgegen. Die Stadt Puno streikt. Es geht nix mehr. Die gesamte Innenstadt ist dicht. Und so laufen wir mit Sack und Pack durch die dunklen Straßen. Der Wohlfühlfaktor liegt in dieser Situation bei 0. "Turistas" rufen sie uns hinterher. Ich suche nach Fluchtwegen.

Wie es weiter geht...in Kürze!

Warum Frauenfußball kein Sport ist

Ok, Kugelstoßen der Frauen ist ein Sport, wenngleich auch kein schöner. Skifahren der Frauen würde ich auch noch gerade so als Sport durchgehen lassen. Beachvolleyball der Frauen IST ein Sport, und was für einer! Leider kam ich hier in Südamerika noch nicht in den Genuß, mir Beachvolleyball anzuschauen.
Was ich aber neulich in Bolivien gesehen habe, hat einen Mini-Tsunami in meinen Augen angerichtet: Frauenfußball. FALLS es eines Beweises bedarf, dass Frauenfußball kein Sport ist, hier ist der Beweis:

Laß die Sonne in dein Herz....

...schick die Sehnsucht himmelwärts! Gib dem Traum ein bißchen Freeeeeeiheit. Laß die Sonne in dein Herz! Ich weiß nicht, wann ich diesen Schlagerklassiker von der Gruppe Wind gehört habe, aber er kam mir spontan in mein von Fußball- und Filmwissen randvollen Kopf, als ich die Isla del Sol, die Sonneninsel, bewanderte.

Hier nun endlich wieder ein paar Neuigkeiten und Fotos, die euch neidisch machen werden, von der Isla del Sol, der Insel auf dem Titicaca-See:


Nach zwei Stunden Schifffahrt kommen wir auf der Insel an. Es hätte uns schlimmer treffen können...


Beim Anblick des Strandes überlege ich kurz, statt über die Insel zu wandern, mir eine Kiste Bier zu kaufen und die nächsten Stunden hier am Strand zu verbringen. Da aber weit und breit kein Rewe in Sicht war, um mir Bier zu kaufen, mußte ich dann doch mitlaufen.


Dieser Stein, genannt Puma-Stein, soll damals für die Inkas etwas heiliges gewesen sein. Durch Berühren des Steines sollen sich wohl Wünsche erfüllen. Nachdem alle aus unserer Gruppe den Stein berührt haben und sich irgendetwas vermeintlich völlig unnötiges gewünscht haben bin ich zu allerletzt zum Stein gegangen und habe mir gewünscht, dass deren Wünsche sicht NICHT erfüllen. He, he! 1:0 für den Larsinho!


Ja, ja, ich weiß: cooles Bild. Deswegen bin ich ja auch hier.


Wir bewundern weiter die schöne Landschaft und überlegen, genau dort am Strand ein deutsches Hostel mit Bar und Fußballübertragungen zu eröffnen.


Hier überlege ich, eine kleine Bar zu errichten.


...und hier oben auf dem Berg soll schon im nächsten Jahr ein Theater eröffnet werden. Gespielt werden soll hier das Leben des Franz Beckenbauer. Schon jetzt sind die ersten 25 Jahre im Vorfeld ausverkauft.


Zwischendurch ist Zeit für eine kleine Bier-Verschnaufpause. Auf dem Weg über die Insel kamen wir an kleinen einheimischen Hütten vorbei, die Süßigkeiten (braucht kein Mensch) und Getränke verkauften. Da es für mich nahezu unmöglich erscheint, an diesen Hütten vorbeizulaufen, ohne ein kaltes! Bier zu kaufen, habe ich mich auch nicht lange bitten lassen. Prost, Larsinho! Laß es dir schmecken.


Faule Sau! habe ich mir gedacht und nähere mich todesmutig der Bestie aus Fleisch und Blut. Ich hoffe, dass der Begriff "Faule Sau" hier seinen Ursprung gefunden hat und nähere mich der Sau. Im ersten Augenblick dachte ich, mein Kumpel Jeric, im Freundeskreis auch bekannt als "faulste Sau der Welt" liegt vor mir, aber weit gefehlt! Es ist tatsächlich eine Sau. Falls die Sau mich angreifen sollte habe ich für diese Fälle immer mein MacGyver-Messer dabei, mit dem ich locker eine Weltraumkapsel reparieren oder z.B. eine Sau erlegen kann. Das Adrenalin steigt ins Blut wie bei jedem TV-Interview von Franz Beckenbauer. Die Spannung steit als...


...nix passiert. Die faule Sau macht ihrem Namen alle Ehre und bewegt sich keinen Zentimeter. Ich überlege dennoch, die Sau mit meinem MacGyver Messer zu erlegen, auszuschlachten und mich bei den Bewohnern der Insel mit großzügigen Gaben in Form von unendlich viel Fleisch beliebt zu machen, verzichte aber auf das blutige Gemetzel.


Auf dem Weg zurück zu unserem Boot treffe ich zufällig auf meine drei Geschwister Renée, Katrin und Toni.


Auf dem Boot wurde der beste Platz selbstverständlich für mich reserviert. Ich genieße die zwei Stunden Rückfahrt ganz vorne, die Sonne lacht mir ins Gesicht. Das Leben bleibt hart.


Eine Insel auf dem Titicacasee.


Spieglein, Spieglein...ICH!

Montag, 23. Mai 2011

Die Franz Beckenbauer Gedächtniskerze

Nach den schmerzlichen Erfahrungen mit dem Berg Huyana Potosi wollte ich eigentlich nie mehr wieder auf einen Berg steigen. Zumindest nicht in diesem Leben. Nun bin ich allerdings hier in Copacabana (in Bolivien) und da ist schon wieder so ein Berg. Und von dort oben hat man sicherlich den besten Blick auf Copacabana und den Titticacasee. Ein Mann muß tun, was ein Mann tun muß! Und so bin ich - abermals ohne Sauerstoffgerät und GPS-Gerät, diesen kleinen Teufelsberg hinauf. Nach gefühlten 3.455.666 Stufen, diversen Fotostopps und zigtausenden Flüchen bin ich dann doch oben angekommen. Der Blick auf die Stadt sowie den azurblauen Titticacasee waren so schön wie Lothar Matthäus' Tor des Jahres 1992 gegen Bayer Leverkusen.


Die Stadt Copacabana von oben.


Der Hafen von Copacabana.


Und der spektakuläre Blick auf den Titticacasee. Im Hintergrund die Isla del Sol, die Sonneninsel, zu der ich gestern aufgebrochen sind. Bericht und Fotos folgen!


Hier kommen Einheimische und Touristen hoch, um Onkel Jesus und Tante Maria zu ehren.


Nachdem man sich bei Kindern Kerzen in verschiedenen Farben zum Preis von 10 Cent gekauft hat zündet man die Kerzen an, stellt sie auf und...ja, dann brennen die Kerzen.

Grund genug für mich, den einzig wahren Gott mit einer in vereinsfarbenen Kerze zu ehren: Franz Beckenbauer.



Hier noch einmal die Franz-Beckenbauer-Gedächtnis-Kerze als Bild (zum Download rechte Maustaste -> speichern unter). Fußball-Experten werden erkannt haben, dass die Kerze Franz Beckenbauer wie damals in seiner Position als Libero widerspiegelt. Unverkennbar ist Franz Beckenbauer auch hier die größte und beste aller Kerzen. Vor ihm steht das 4-er Mittelfeld, hier bestehend aus weißen Kerzen. Leider war es fototechnisch nicht möglich, einen kompletten Spielzug der Franz-Beckenbauer-Gedächtniskerze im Bild festzuhalten.

Freitag, 20. Mai 2011

Der Berg ruft

Drei Fragen kommen mir nach den ersten 30 Minuten in den Sinn: Warum? Warum? Warum?

Warum tue ich mir das an? Warum quäle ich mich so, wie noch nie in meinem Leben zuvor? Warum bist du so dämlich gewesen und bist mitgelaufen. Auf die Höhe, wo sonst Flugzeuge sich für den Landeanflug fertig machen. Dort, wo keine Vögel mehr fliegen, weil es viel zu hoch ist. Nicht einmal Wolken gibt es hier oben. Mit "oben" ist der Berg Huyana Potosi gemeint. 6.088 Meter hoch. Laut Ausschreibung der "leichteste" zu begehende. Was für ein schlechter Scherz!

Hier die ganze Geschichte des Leiden Christi, erzählt aus der Ich-Perspektive des Larsinho:


Der Rucksack ist gepackt. Hier ist alles drin, was der Bergsteiger braucht. Na, dann kann's ja endlich losgehen!


Unser Ziel liegt vor uns: Der Berg Huyana Potosi. Auf 6.088 Meter Höhe. Los geht es mit unseren boliviansichen Guides Super-Mario und Franz. Super! Gleich der erste Abschnitt ist anstrengend! Mir kommen die ersten Zweifel, ob das wirklich eine gute Idee war, diesen Trip zu buchen.


Und dennoch: Irgendwann, nachdem ich die ersten Liter Schweiß vergossen habe, kommen wir im Rockcamp auf einer Höhe von fünftausendeinhundertundeinbißchen an.



Der erste Ausblick belohnt für die ersten Strapazen:

Schnell noch ein Gruppenfoto machen...


...und dann ab zum Sonnenbaden:

Im Refugio sind die Wände mit Sprüchen und Zeichnungen gesät. Hier ein ganz besonderer Gruß an die Bergsteiger:



Hier, in unserem Refugio mit dem Namen Rockcamp (!) auf einer Höhe von 5.103 Meter, versuchen wir für ein paar Stunden zu schlafen, bevor wir gegen Mitternacht aufstehen. Schlafenszeit war für 18 Uhr angesetzt. Unmöglich für alle, ein paar Stunden zu schlafen. Der Schlafraum ist ausgestattet mit Dingen, die wohl früher mal so etwas wie Matratzen waren. Quälende sechs Stunden liege ich wach, höre Musik, versuche einzuschlafen, höre, wie sich auch die anderen Möchtegern-Bergsteiger von der einen auf die andere Seite drehen. Dann endlich, gegen Mitternacht, dürfen wir wieder aufstehen, unsere Ausrüstung anziehen und das dämlichste machen, was wir je gemacht haben: bergsteigen.

Von all den Alternativen, die die Agenturen in La Paz zuhauf anbieten, habe ich zusammen mit Colm das Abenteuer ausgesucht, was im Nachhinein am anstrengensten war. Zur weiteren Auswahl standen noch ein Drei-Tages-Dschungel-Aufenthalt oder der Besuch des Makidi-Nationalparks.

Dann geht es los. Wie uns unsere Guides empfehlen, ist es ganz wichtig, langsam den Berg zu erklimmen und lansam ein- und auszuatmen. Langsam gehen? Super! dachte ich mir, dann kann ja nix mehr schief gehen. Mehrere Gruppen machen sich nacheinander, den Berg anzugehen. Es sieht aus wie eine Kolonne von Glühwürmchen, die Lichtkegel auf den Schnee zaubern. Ich würde mich jetzt auch ganz gerne auf den Gipfel zaubern, scheitere aber schon bei dem Versuch, mir warme Füße zu wünschen.

Der Mond ist unser ständiger Begleiter auf dem Weg nach oben und beleuchtet den Berg. Dennoch lassen sich keine Bilder machen, dafür ist es zu dunkel. Ich ärgere mich nicht darüber, dass es so dunkel ist, schließlich ist es Nacht und das habe ich in Deutschland auch schon mal erlebt.

Völlig neu sind mir jedoch die körperlichen Strapazen, die ich auf dem Weg nach oben kennenlernen darf. Es ist nicht so einfach wie im Badminton-Training, wo ich meine Badminton-Kollegen Marc und Christos locker im Einzel weghaue, um dann mit meinem Doppelpartner Jürgen im Doppel Selbiges zu machen mit beiden. Nein, das hier ist wirklich anstrengend.

Franz, mein Guide, an dessen Sicherungsseil ich hänge und dem der Spaß noch nicht vergangen ist und regelmäßig "Vamos a la playa", wir gehen zum Strand, sagt und singt und mehrfach wiederholt, dass "chicas" " en la playa muy bien" und "muy importante" sind, kriegt sich vor Lachen manchmal nicht ein. Während der ersten Stunde konnte ich auch noch mitlachen, da waren Kondition und Kraft noch vorhanden.

Aber irgendwann kann ich darüber nicht mehr lachen, da ich keine Luft mehr zum Lachen habe. Ich starre Schritt für Schritt auf den Rucksack von Franz, der ca. eineinhalb Meter vor mir her geht. Es muß der gleiche designierende Blick sein, den ich seit der fünften Klasse hatte, wenn wir Mathearbeite schreiben mußten (sofern ich nicht "urplötzlich" einen schlimmen Asthmaanfall vortäuschen mußte, um die Arbeit zu verpassen), und ich keinen blassen Schimmer hatte, was ich hier mache.

Wir gehen weiter im Gänsemarsch steil bergauf. Ich habe es in der Zwischenzeit sein gelassen, nach oben zu schauen. Halb erschöpft, halb lebend quäle ich mich weiter den Berg hinauf. "Nur noch zwei Stunden, dann sind wir da", ruft mir Franz aufmunternd zu. NOCH ZWEI STUNDEN??? Hat er das nicht schon vor zwei Stunden gesagt? Ich hoffe, dass er maximal die europäische Zeiteinheit von zwei Stunden meint. Denn ich habe überhaupt keine Lust, zwei Stunden südamerikanischer Zeitrechnung zu laufen. Denn das kann im schlimmsten Fall bis zu einem Jahr dauern...also beiße ich auf die Zähne, laufe weiter, mache Pause usw.

Zwischendurch ist kurz Zeit, ein Foto mit Franz zu machen (mein Lachen ist gestellt!):


Bei 5.800 Meter ein kurzes Zwischenfazit:



Die letzten 200 Meter haben es in sich. Es geht steil bergauf, die Kräfte schwinden, die Abstände zwischen den Pausen werden kürzer. Bei 6.000 Meter ist dann Schluß für mich:




Der Sonnenaufgang ist die Belohnung für den beschwerlichen Auf- und Abstieg.



Als wir dann tatsächlich, nach langen, harten, kräftezehrenden Stunden des Abstiegs endlich angekommen sind, möchte ich am liebsten auf der Stelle vor Erschöpfung einschlafen. Auf dem Weg nach unten habe ich wahrscheinlich mehr Pausen gemacht als in meiner gesamten Schulzeit. Ich hätte gut und gerne mehrmals einfach so während des Gehens einschlafen können. Dieser Berg hat mich alle Kräfte gekostet, die ich hatte. Als ich mich völlig erschöpft aufa den Schnee lege und versuche, zu Atem zu kommen, habe ich nur noch einen Wunsch: Eine Woche Strandurlaub. Ich will keine Berge mehr sehen. Ich will keinen Schnee mehr sehen. Den Traum muß ich vorerst verschieben, da Bolivien mitten in Südamerika liegt. Und am Ende bleibt meine Frage unbeantwortet: Warum hast du das gemacht?

Cheers
Euer Larsinho