Mittwoch, 27. April 2011

Denn sie wissen nicht was sie tun oder: Warum ich mir Cayenne Pfeffer in die Augen gemacht habe

Seit ein paar Tagen laufe ich mit einem dicken Auge durch die Gegend. Eine Augenhautentzündung, die ich mir wahrscheinlich in der Bahn geholt habe, da dort nahezu alle Fenster offen sind. Ich sehe aus wie eine Mischung aus Axel Schulz' Auge nach der ersten Runde und Quasimodo. Ich erschrecke morgens beim Blick in den Spiegel und fauche den fremden Mann mit dem dicken Auge an, er möge sich aus meinem Bad machen.
Beim Frühstück lerne ich dann ein amerikanisches Pärchen kennen. Ich frage in die Runde, ob ein Doktor auf hat, schließlich ist Ostern. Warum ich zu einem Doktor gehen müßte?, fragte der Ami. Wenn er eine Entzündung am Auge hat macht er sich Cayenne-Pfeffer in die Augen. "Hat mir ein befreundeter Arzt empfohlen. Das brennt so ca. 30 Sekunden, läßt dann aber nach und das Auge ist danach wieder in Ordnung." 30 Sekunden ist ein bißchen wenig, erwidert seine Freundin, drei Minuten wären es schon. Aber es hätte gewirkt. Selbstverständlich lache ich aus und verbitte mir solche Späße am frühen Morgen, noch dazu am Frühstückstisch...
Er könne mir es zeigen, quasi als Beispiel. Mit noch größeren Augen gucke ich ihn an und frage ihn, ob er noch Herr seiner Sinne ist, sich ohne jegliche Not Cayenne-Pfeffer in die Augen zu machen...

Folgende Fragen kommen mir spontan in den Sinn:
1. Traust du Leuten, die du seit 2 Minuten kennst?
2. Was ist das für ein Doktor, der so etwas empfiehlt?
3. Bist du mutig ODER dämlich genug, um das WIRKLICH zu machen?

Da ich zu faul bin, einen Doktor zu suchen entschließe ich mich dazu, am frühen Morgen eine Brise roten Cayenne-Pfeffer in mein linkes Auge zu tun. Die nachfolgenden Bilder dokumentieren den - zugegebenermaßen - sehr eigenwilligen Selbstversuch:


Stufe 1: "Mmh, der meint wirklich Pfeffer. Ich hatte gehofft, er meint eine Mischung aus Pfeffer und beruhigend wirkenden Ölen". Noch ist alles in Ordnung. Ich muß das nicht tun. Keiner zwingt mich dazu. Tief im Inneren höre ich meine Mutter rufen: LASS ES SEIN!


Stufe 2: Die ersten Zweifel kommen in mir hoch. Soll ich das WIRKLICH tun? Ich erinnere mich an einem Abend zu Hause, als ich aus Versehen beim Essen machen die kleine roten und verdammt scharfen Paprikaschoten zum Essen gemacht habe und mir dann versehentlich die Augen gerieben habe. DAS war schon nicht lustig...


Stufe 3: Mann oder Maus? Die Entscheidung ist gefallen! Ich mache es, schließlich ist es ein Naturprodukt, dass kann nicht sooo verkehrt sein! Und außerdem habe ich keine Lust, die nächsten Tage rumzulaufen wie Axel Schlulz nach 12 Runden Boxkampf. Also, auf geht's!


Stufe 4: Es gibt kein zurück. Der Cayenne-Pfeffer ist auf dem Weg in mein linkes Auge. Adrenalin kocht in meinem Körper auf. In Japan haben neulich noch die höchste Atom-Alarmstufe ausgerufen, da werde ich es wohl schaffen, mir ein bißchen Cayenne-Pfeffer in das Auge zu machen...


Stufe 5: Nach wenigen Milisekunden spüre ich den Pfeffer auf meiner Netzhaut. Ich kann nicht behaupten, dass es kitzelt, sondern verspüre ein bis dato nicht gekanntes und nie für möglich gehaltenes Brennen auf dem Auge. Eine undefinierbar große Menge an Tränenflüssigkeit läuft mir in reißenden Bächen die Backen runter. Spontane Ausrufe wie "Fuck! Scheiße, was brennt das und aaaah" verlassen lautstark und unkontrolliert meine Lippen. Das ist ein gutes Zeichen, denke ich, ich lebe immer noch.


Stufe 6: Ich warte darauf, dass Paola und Kurt Felix mit einer versteckten Kamera herauskommen und mich auslachen. Ich warte vergeblich. Das Brennen wird von Sekunde zu Sekunde stärker. Der Schmerz ist fast (!) so groß wie die Last-Minute Niederlage des FC Bayern im Champions-League Finale 1999 in der 94. Minute gegen Manchester United. Meine Ausrufe werden lauter, unverständlicher und schneller. Auf der Skala der Erfahrungen, die man nur einmal im Leben machen muß, nimmt dieses Experiment in der Zwischenzeit unangefochten (!!!) den ersten Platz ein.


Stufe 7: Ich höre das Gelächter der Leute um mich herum. Ich muß mitlachen und fluche gleichzeitig, so dämlich kommt mir das vor, was ich vor ein paar Sekunden gemacht habe. Meine Hände werden schweißnaß und kalt. Im Hintergrund läuft "Angels" von Robbie Williams. Ich denke, ich bin im Himmel, was definitiv nicht sein kann, da das teufliche Brennen weiter durch meine Augen zieht und mittlerweile auch Teile meines Körpers erreicht hat. Noch ist es mir unmöglich, das Auge zu öffnen. Ich habe zwar nicht mitgezählt, aber die 30 Sekunden müßten mittlerweile schon läääängst um sein.


Stufe 8: Warum zum Teufel läßt der Schmerz nicht nach? Nach ein paar Minuten kann ich immer noch kein Auge öffnen und die beschwichtigenden Aussagen des Amerikaners, es wird gleich besser, verdamme ich ins Land der Fabeln. Folgende Rachepläne hege ich spontan und willkürlich aus: Sollte ich das Experiment wirklich überleben und/oder nicht erblinden werde ich die heftigsen Trinkspiele mit ihm spielen, die ich je im Leben gespielt habe, und werde ihn in Grund und Boden trinken, daß er für den Rest seines Lebens Kopfschmerzen haben wird. Als Deutscher sollte dies eine Leichtigkeit sein, ihn zu besiegen.


Stufe 9: Nach einer, nein, nach gefühlten unendlichen Ewigkeiten läßt das Brennen ETWAS nach. Ich komme ganz langsam aber sicher wieder zur Beherrschung. Der Pfeffer brennt immer noch höllisch in den Augen, meine Hände haben inzwischen Minustemperaturen erreicht und ich habe mich noch nie im Leben so darüber gefreut, dass ein Schmerz - wenngleich auch sehr langsam - nachläßt.


Stufe 10: Ich kann wieder sehen, das heißt, ich lebe! Obwohl "sehen" übertrieben ist, da mein linkes Auge noch immer literweise Tränen absondert. Ich habe zwar nicht mitgezählt, wie oft ich mich gefragt habe, warum in aller Welt ich das gemacht habe, aber ich müßte in der Zwischenzeit die Million überschritten haben.

ABER: Der Schmerz läßt im Laufe der Zeit tatsächlich nach und am nächsten Tag ist das Auge viel besser und nicht mehr geschwollen. Zur Info: Dennoch würde ich in Deutschland einen Artzbesuch vorziehen. Nachts falle ich erschöpft mit der Gewißheit in den Schlaf, der mutigste Mann der Welt zu sein.

Euer Larsinho

3 Kommentare:

  1. Du bist echt ein Spinner, ein sympathischer:-)
    Hoffe du hast den nächtsen Morgen MIT Netzhaut erlebt. LG Carolin

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  2. Du bist wirklich verrückt! Man darf doch keinem AMI trauen!!! Die haben keine Krankenversicherung!! Die versuchen ALLES, um nicht kostenpflichtig einen Arzt aufsuchen zu müssen :-DDD

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