Mittwoch, 8. Juni 2011

Das traurige Brötchen

Auf Reisen mußte ich immer wieder Abstriche machen. Nein, nicht wie beim Frauenarzt. Ich rede von kulinarischen Abstrichen. Dinge, die man zu Hause für alltäglich und vielleicht langweilig hält, die man aber nach drei Monaten schmerzlich vermisst.

Wie das Brötchen, gebacken nach dem guten alten deutschen Backrezept von anno dazumal.

Die Kaiserbrötchen zum Beispiel sind die günstige Variante der Brötchen. Unter den Ferraris der Brötchen, den Körnerbrötchen, sind sie verschrien als "Billigbrötchen". Die Körnerbrötchen haben gut reden, schließlich kosten sie manchmal bis zu dreimal so viel wie die Kaiserbrötchen. Die Kaiserbrötchen können einem leid tun. So richtig haben wollen will sie keiner. "Aber eins mit Körner" heißt es immer, wenn man frische Brötchen holen darf. "Sonst ess ich Toast", heißt es weiter. Und Kaiserbrötchen gibt es IMMER im Angebot, wenn man fünf Stück kauft. Ladenhüter, die keiner haben will.

Als ich aber gestern in meinem Hostel auf der Sonnenterrasse mit Blick auf die umliegenden Berge mein Frühstück orderte und völlig unerwartet zwei Kaiserbrötchen vor mir liegen hatte, schlug mein Herz höher. Wie lange hatte ich darauf warten müssen, endlich mal wieder ein Brötchen zu essen, das seinem Namen alle Ehre macht! Fast auf den Tag genau drei Monate. Was für eine Überraschung! Üblicherweise bekommt man überall in Südamerika trockene Dinger, die - wenn sie erwachsen sind - vielleicht so etwas wie Brötchen werden könnten.

Trocken und nur mit Luft gefüllt machen sie auf den ersten Anblick keine schlechte Figur. Setzt man dann das Messer an, um es zu durch zu schneiden, geht das Gebröckele auch schon los. Das Innere der Möchtegern-Brötchen wäre ein Fall für die Lebensmittelkontrolleure in Deutschland. Nein, unter einem Brötchen, gebacken von einem mit Restalkohol wenig motivierten Bäckermeister und seinen unterbezahlten Lehrlingen, die in Freundeskreisen immer dann die Party verlassen müssen, wenn es am schönsten ist und zu früher Stund zur Arbeit müssen, verstehen wir Deutsche etwas anderes.

In freudiger Erwartung auf das nächste Frühstück bin ich heute gut gelaunt aufgewacht und habe ich mich auf die in Deutschland völlig zu unrecht unterbewerteten Kaiserbrötchen gefreut. Doch dann schlug die Realität zu wie die Fäuste im Nanosekundentakt damals auf Axel-Faaaaaaaallllobst-Schulz. Völlig unerwartet bekam ich statt zwei Kaiserbrötchen drei von diesen dünnen trockenen Teigdingern. Enttäuscht starre ich gefühlte zwei Stunden auf den Brötchenkorb und fühle mich das erste mal seit Reisebeginn hilflos und verloren. "Kaiserbrötchen" denke ich innerlich, "ich wollte doch zwei Kaiserbrötchen haben" und starre weiter vor mich hin...

Wäre ich in Deutschland würde ich den Notruf wählen und um Hilfe bitten. Aber in Deutschland hätte ich dieses Problem gar nicht, da es von Bäckereien und seinen ehemaligen Diskuswerferinnen, die jetzt freundliche Verkäuferinnen in diesen Bäckereien sind, nur so wimmelt.

Als die nette Angestellte fragt, ob alles in Ordnung ist überlege ich kurz, ob ich sie mit diesem Blick strafe, für die eigentlich nur die Frauen bekannt sind und vor dem wir Männer uns so höllisch fürchten. Aber heute ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint, ich fühle mich gut. Ich bedanke mich bei ihr für das rasch zubereitete Frühstück und genieße den frischen Mangosaft und frage mich, wie wohl ein noch warmes Körnerbrötchen schmecken würde...

Euer Bäckermeister Larsinho

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