Dienstag, 17. Mai 2011

Dem Himmel so nah oder: The most dangerous road of the world

Als sie für ein Sprengstoffkommando der Bundeswehr noch einen mutigen Freiwilligen suchten, wurde ich damals als "überqualifiziert" abgestempelt. Zu mutig, hieß es in der offiziellen Begründung.

Jetzt, im Jahr 2011, konnte ich diesen Mut endlich unter Beweis stellen. Ziel gestern war "The most dangerous road of the world", die gefährlichste Straße der Welt. Die nüchternen Fakten: 63 km Abfahrt mit dem Mountainbike. Start ist in 4.700 (!) Meter Höhe. Rechts grüßen die Anden (mehr oder weniger ungefährlich, da man sich beim Sturz nur Schrammen oder Brüche holen kann), links der Abgrund, an einer Stelle 900 Meter Meter tief. Wer Leitplanken sucht wird hier nicht fündig. Seit den 80er Jahren haben über 110 Menschen ihr Leben auf dieser Strecke verloren. Teils, weil sie zu schnell waren, teils, weil sie das Risiko unterschätzt haben, teils, weil es zu regnen anfing und sie die Kontrolle über ihr Fahrrad verloren haben.

Schon bei der Buchung wird einem der Ernst des Ausfluges bewußt: Notfall-Telefonnummer und Notfall-Emailadresse sind zu hinterlegen. Ein komisches Gefühl kommt in mir hoch. Ich unterschreibe.

Am nächsten Morgen muß ich das dritte Mal in zweieinhalb Monaten früh, d.h. gegen sieben Uhr morgens, aufstehen. Ich fluche innerlich, muß aber dennoch aufstehen, schließlich gilt es heute, eines der Highlights meiner Reise anzutreten - und zu überleben. Im Bus, der noch nicht einmal annähernd irgenwelche TÜV-Richtlinien in Deutschland überstehen würde, sitzen noch eine Irin und zwei Japanerinnen. Tapfere Laien denke ich mir und steige in den Bus ein.

Kaum hat unser Fahrer in den ersten Gang geschaltet schallt es die Rocky-Hymne aus den Lautsprechern. Aha, denke ich mir, musikalische Aufmunterung zu früher Stunde. Für den Bruchteil einer Sekunde peitscht Adrenalin in mir hoch.

Wir erreichen unser Ziel. Die Mountainbikes werden ausgehändigt, ebenso die Schutzkleidung. Ganzkopfhelm, Schienbein- und Ellbogenschützer sollen beim Sturz Schlimmstes verhindern. Wer über den Abgrund fährt, dem hilft auch keine Schutzkleidung denke ich mir und rüste mich für die Abfahrt.


Fertig angezogen fürchte ich weder Tod noch Teufel. Ich bin bereit. Auf geht's!

Die erste Stunde Abfahrt ist, abgesehen von einigen Schlaglöchern auf der Straße, nicht mehr als ein Warmmachen. Die Straße ist geteert, das Risiko ist minimal. Ich schalte einen Gang höher. Beim ersten Zwischenstopp, bei dem wir auf die Japanerinnen warten, ist Zeit für eines dieser überflüssigen Jump-Fotos.


Links die Straße, rechts die Anden und in der Mitte enstpringt ein Fluß.


Die Aussicht auf die Anden verschlägt uns immer wieder die Sprache.

Nach der ersten Stunde müssen die Fahrräder wieder auf das Auto geschnallt werden. Der nächste Abschnitt ist zu gefährlich, da immer wieder Steinbrocken von oben herabfallen. Nach gut zehn Minuten Fahrt erreichen wir den zweiten Tour-Abschnitt. Es ist wolkig. Wir sind immer noch auf über 4.000 Meter Höhe.



Und hier ein kurzes Video...


Hinter uns die Wolken, vor uns der Regenwald.

Die Fahrräder werden vom Auto genommen. Wir ziehen uns die Helme auf. Es ist weiter wolkig bzw. neblig. Hier geht es endlich RICHTIG los!


Ich grüße in die Kamera. Ein paar Sekunden später sitze ich auf meinem Bike und schalte in windeseile die Gänge höher.

Die Fahrt durch die Anden ist spektakulär. Tiefe Schluchten, schmale Schotterstraßen und traumhafte Aussichten lenken kurzfristig von der Konzentration ab.


Da müssen wir langfahren. Im Idealfall, ohne links abzustürzen.


Die Busse, die die Fahrräder transportieren, fahren hinter uns her. Wer sich nicht mehr in der Lage fühlt, die Strecke per Rad zurückzulegen kann in den Bus steigen.


Der Bus erscheint winzig im Vergleich zu den Anden.


Es kommt, wie es kommen mußte. Eine der japanischen Laien überschlägt sich. Augenzeugen berichten, sie hat sich überschlagen und ist durch die Luft geflogen. Sie verzerrt das Gesicht, das Becken schmerzt wohl. Ich mache ein Foto und denke mir, dass sie besser beim Origamifalten geblieben werde. Hier ist kein Platz für Schwäche. Nach kurzer Besprechung setzt sie die Reise im Bus fort.

Der Nebel wird dichter, es ist feucht-kühl. Wir dreschen die Schotterpiste hinunter. Das Tempo wird schneller. Colm, mein irischer Reisegefährte, kommt fast zum Sturz, kann das Bike aber gerade noch kontrollieren. Seine Freundin ist erst gar nicht mitgekommen. Wir erreichen den Punkt, wo alle Gruppen ihr Gruppenfoto machen.


Leider ist es an diesem Tag sehr nebelig. Links geht es 900 Meter tief in die Schlucht. Wir können nicht ganz so tief sehen, fragen aber intuitv, wann das letzte Mal einer an dieser Stelle ums Leben gekommen ist. Letztes Jahr, so die Antwort unseres Guides.


Damit ihr mal ungefähr eine Vorstellung von den Verhältnissen vor Ort bekommt, hier ein weiteres Foto. Wenn ihr ganz genau hinguckt seht ihr mich hinten links im Bild.


Das sind wir. Irgendwo dazwischen ist auch der Lars.


Weiter geht die Fahrt. Die Wolken hängen tief.

Wir fahren weiter. Je tiefer wir kommen, desto mehr lichtet sich der Nebel. Zeit für einen kurzen Zwischenstopp.


Hinter uns der Regenwald, vor uns die nächsten Kilometer Abfahrt.

Wir passieren weitere spektakuläre Aussichten.


Immer wieder muß ich anhalten für spektakuläre Fotos wie dieses...


...oder dieses...


Wir erreichen nach einer weiteren Stunde Abfahrt den nächsten Zwischenstop. Fast hätte es mir das Hinterrad kurz zuvor weggerissen. Ich habe einen großen Stein übersehen und rutsche mit hoher Geschwindigkeit zwei, drei Meter herum, kann das Bike aber unter Kontrolle halten und spüre meinen Herzschlag rasen.


Noch schnell ein gestelltes Gruppenfoto machen und sich über die Jump-Amateure amüsieren.


Die Anden machen fotosüchtig. Schnell ein Foto und dann geht es zum letzten, schnellen Abfahrt. Auf dem Weg ins Tal kommen uns Schulkinder entgegen, die uns abklatschen.


Geschafft! Nass geschwitzt, dreckig aber glücklich erreiche ich das Ziel.

I SURVIVED THE MOST DANGEROUS ROAD OF THE WORLD. WHAT ABOUT YOU...???


Ich fühle mich gut, bin glücklich, dieses Abenteuer überstanden zu haben und gönne mir ein Bier.

Ih habe es geschafft, denke ich mir und steige in den Bus ein. Wir fahren den gleichen Weg wieder zurück. Wolken ziehen auf. Die 63 km zurück in dem Bus sind nicht minder gefährlich. Es gibt drei, vier Situationen, in den ich sehe, dass unser Bus nur einen halben Meter vom Abrund fährt. Meine Hände werden naß.


Auf der Rückfahrt fallen mir jetzt auch immer wieder Kreuze auf, für die ich auf der Abfahrt keine Augen hatte. Sie sind die traurigen Wegbegleiter unserer Fahrt, die uns immer wieder bewußt machen, warum es "The most dangerous road of the world" heißt.

Wir fahren langsam weiter. Ich vertraue unserem Fahrer und hoffe, dass wir nicht auch zu einem dieser Kreuze am Wegesrand werden. Was bleibt mir anderes übrig?

Gegen 18.30 Uhr erreichen wir das unser. JETZT habe ich es überlebt.

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