Samstag, 28. Mai 2011

Rien ne va plus - nichts geht mehr in Puno

Nachdem wir die teils schöne, teils illegale Schifffsfahrt überstanden haben, in Puno angekommen sind und ich glücklicherweise nicht meine erweiterten Seepferdchen-Fähigkeiten unter Beweis stellen mußte, um an das Ufer zu kommen, benötigten wir den offiziellen Einreisestempel Perus. Nachdem uns ein Polizist den Weg gezeigt hat machten wir uns in Richtung Innenstadt. Leider zu Fuß, denn die kleinen motorisierten Motortaxen wollten uns nicht fahren. Komisch, dachten wir uns, und gingen weiter.

Nur wenige hundert weiter kamen uns dann schon die ersten Menschenmengen entgegen. Wir treffen auf andere Reisende und fragen uns nach dem Migration-Office durch. Eine Einheimische warnt uns davor, auf den Plaza de la Armas zu gehen, weil dort die Hauptkundgebungen der Minenarbeiter stattfinden würden und uns unsere Rucksäcke klauen würde. Da ich das Wort "Angst" nur aus Erzählungen anderer kenne, ich obendrein mit meinem MacGyver-Messer ausgestattet bin und ich es für nicht möglich halte, dass sie auch nur in Erwägung ziehen, einen gefühlen Fünf-Meter-Hühnen aus Deutschland anzugreifen, schreite ich mutigen Schrittes an die Spitze unserer Drei-Mann-Reisegruppe-Reiselust-Spezialeinheit. Nach hundert Meter erreichen wir den Plaza de la Armas (hier ein Bild vom darauffolgenden Tag):


Der Platz ist voll, ich leider nicht. Die Demonstranten schlafen überall da, wo Platz ist, es riecht nicht gerade nach Aprilfrische und der eine odere andere würde sich sicherlich über eine warme Dusche freuen. Warmduscher! denke ich mir noch und höre, wie die ersten Demonstranten "Turistas" rufen. Das Migrations-Office ist genau seitlich des Platzes. Wir klopfen an dem Tor und erhalten Eintritt.


Hinter diesem Tor verbirgt sich der Ort, wo wir unsere Einreisestempel kommen. Was für ein Aufwand für ein bißchen Tinte im Ausweis. Drinnen spricht mich ein halbseidener Mensch mit kugelrunder Plautze an und bietet mir ein Zimmer in seinem Hotel an. Nach kurzer Rücksprache mit den Offiziellen lasse ich mir seine Seriosität bestätigen und folge ihm in sein Hotel. Auf dem Weg dahin treffen wir wieder auf Demonstranten:



Am nächsten Tag machen wir uns auf den Weg zu den verschiedenen Reiseagenturen und versuchen, irgendwie aus der Stadt herauszukommen. Die Informationen, die wir erhalten, sind so vielfältig wie meine Schummelversuche damals in der Schule. Eine genaue Auskunft kann uns keiner geben, die Infos reichen von "Busbahnhof geöffnet", "eventuell fährt heute Abend ein Bus" und "kommt um 18 Uhr wieder". Vorher irren wir durch die von Demonstranten und Demonstrantenlager errichtete Stadt Puno.


Und sie laufen immer noch durch die Stadt. Hintergrund der Demo ist der bevorstehende Verkauf einer Mine an ein kanadisches Unternehmen. Die Minenarbeiter und Bauern fürchten nicht um ihre Jobs, sondern um die Verschmutzung der Umwelt.


Überall sitzen, liegen und pinkeln die Demonstranten. Wenn die Stadt in naher Zukunft das Siegel "Unesco-Weltkulturerbe" haben möchte müssen sie sich ins Zeug legen. So wird dat nix.


Der Kreativenausschuß der Demonstranten hat beschlossen, dass weder Autos, noch Busse oder Taxen durch die Straßen fahren dürfen und legen Steinbrocken auf die Straße.


Zwischen all den häßlichen Gebäuden sehe ich dann endlich einen Lichtblick. Spontan setze ich mich vor diesen überlebenswichtigen Laden und demonstriere für eine Weile für den Erhalt dieses Geschäftes. Auch hier leiste ich wieder einen Beitrag für das Gemeinwohl der Menschheit. Einen von mir selbst geforderten Orden bekomme ich leider nicht überreicht.


Diese Straßensperre wird ihrem Namen endlich gerecht. Leider sind die Steinbrocken genau vor dem Eingang des Busbahnhofs, der ja angeblich offen sein soll. Den Wahrheitsgehalt des Typen, der uns gesagt hat, das Busterminal ist geöffnet, beträgt nach Prüfung vor Ort 0 Prozent. Wir gehen weiter zum Bahnhof. Dort grüßt uns ein Militärpolizist mit seinem Maschinengewehr, im Hintergrund sehen wir seinen gepanzerten Wagen. 48 Stunden lang darf friedlich demonstriert werden, danach rückt das Militär ein, hören wir von verschiedenen Seiten.


Bei einer Agentur, wo wir erneut nach einem Busticket frage, mache ich Freundschaft mit kleines Mädchen ohne Namen aus Peru. Nachdem sie mir 34 mal gezeigt hat, wie toll sie vom Bordstein springen kann, bleibt noch Zeit für ein Foto. Das Springen hat nicht nur ihre gute Laune gefördert, sondern auch noch ihren Stuhlgang, wie ich riechen kann. Dennoch lasse ich mir die gute Laune nicht verderben, denn ein paar Stunden später haben wir tatsächlich einen Bus nach Cuzuco.

Wir müssen eine halbe Stunde samt Gepäck den einzigen Berg rauf, den Puno zu bieten hat.

Am Nachmittag macht das Gerücht die Runde, ein Minibus wartet am Stadtausgang auf Reisende. Spontan machen wir uns auf den Weg, verpassen ihn aber leider um zehn Minuten. Ein dahergelaufener Peruaner, Anfang 20, schwarze Jacke, Sonnenbrille, vom Typ "dir traut sowieso keiner" bietet mir spontan eine Mitfahrgelegenheit in einem Bus an. Ich soll ihm kurz folgen. In eine ca. ein Meter Breite Gasse, die zu einem Hinterhof führt. Ich halte Blickkontakt zu Stefan und Silja und signalisiere, dass alles in Ordnung ist. Natürlich bin ich nicht so doof und gehe mit ihm. Eine ältere einheimische Frau eilt mir zu Hilfe und rät mir ab, mit ihm zu gehen. Nach kurzer Rücksprache mit ihm kommt eine jüngere Frau aus dem Hinterhof, die sie wohl kennt und bittet mich in ihr offizielles Büro. Dort ist auch der Typ wieder und will die Bürotür, die zur Straße reicht, schließen. Ich stelle mich in die Tür, sodaß der halbseidene Typ die Tür nicht schließen kann und gebe Stefan und Silja Handzeichen, dass weiterhin alles in Ordnung ist. Schnell beschließe ich, das dubiose Büro zu verlassen. Wir verabschieden uns von der netten Frau und danken für ihre Hilfe.

Am Abend sitzen wir dann tatsächlich im bequemen Bus. Die nächsten 20 km Straße sind begleitet von Wegblockaden, brennenden Autoreifen und tausenden von Steinen und teils großen Felsbrocken auf der gesamten Straße. Immer wieder muß der Busfahrer aussteigen, um Steine aus dem Weg zu räumen. Der Busfahrer läßt sich auch von wüst schimpfenden Demonstranten nicht abbringen, den Weg fortzusetzen. In der Zwischenzeit werden wir aufgefordert, die erste Reihe oben im Bus zu räumen. Aus Sicherheitsgründen.

Nach sechseinhalb Stunden kommen wir nachts um vier Uhr sicher in Cuzco an. Endlich normale Leute. Ich falle ins Bett und zähle gedanklich die Leichen, die Chuck Norris auf dem Weg nach Cuzco ins Jenseits befördert hätte.

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