Freitag, 27. Mai 2011

Legal, illegal, scheißegal

Vor ein paar Tagen hatte ich folgenden Plan: Mit dem Boot rüber nach Peru, nach Puno, und dann weiter nach Cuzco zu einem der absoluten Highlights meiner Reise: Macchu Picchu. Wenn ich eines auf meiner Reise gelernt habe, neben der Tatsache, dass hier (leider) mehr Engländer herumlaufen als in Großbritannien selbst, dann, dass es immer gut ist, einen Plan B zu haben. Warum das so ist, erzählt euch der Märchenonkel Larsinho von Anfang an.

Es war einmal der Larsinho, der wollte nach Peru. Also begab er sich früh morgens zum offiziellen Grenzübergang.


Neben mir warteten noch ein paar Lemminge mehr, sich hier den Ausreisestempel abzuholen. Plötzlich und unerwartet begab sich eine kleine Menge weg von dem Gebäude, runter zum See. Ohne Stempel. Den Stempel sollen wir wohl unten am See bekommen. Weil auch ich mich einmal in meinem Leben wie ein Lemming fühlen wollte folgte ich der internationalen Lemminge-Truppe.


Ach, is dat schön hier unten. Bestimmt bringen die mir gleich einen Kaffe, servieren ein leckeres Frühstück und dann bin ich in nullkommanix auf dem Boot in Richtung Peru.


Als ich dann aus meinem Tagtraum aufgewacht bin standen Hunderte von verwirrten Menschen vor, neben und hinter mir und warteten ebenso wie ich auf eines der Boote, die schon längst hätten ankommen sollen.


In der Zwischenzeit wurde binnen Nanosekunden der "Grenzübergang" mit einem Schreibtsich versehen, wo wir uns später (!), ganz viiiel später, den Ausreisestempel abholen konnten.


Nach insgesamt drei Stunden Wartezeit im Niemandsland von Bolivien habe auch in dann mein Stempel bekommen.


Wer noch vor dem Grenzübergang Geld wechseln wollte konnte dies an dieser Außendienststelle der Weltbank machen.


Dann ging die Schlacht um die Plätze auf dem Boot los. Ursprünglich waren wir eine 7er Gruppe. Dann war ich auch einmal im Leben clever und habe mir vor den anderen den Stempel geholt, denn plötzlich war das Boot voll, unsere Reisegruppe "Reiselust" mußte getrennt werden.


Nix geht mehr, das Boot ist sprichwörtlich voll. Und wer ist auf dem Boot...?


Richtig! Der Larsino! Vor mir liegen acht Stunden Schifffahrt. Acht Stunden über den Titicacasee. Acht Stunden auf dem Deck der MS Dingsbums. Acht Stunden, das ist die Zeit, die ein Flugzeug braucht von Köln nach New York. Allerdings fahren wir mit gefühlen minus 30 km auf dem Titicacasee in Richtung Peru.


Die ersten drei Stunden mache ich genau...nix. Ich schaffe es tatsächlich, mich während der ersten drei Stunden nicht zu bewegen. Nicht einmal ein Augenblinzeln geht mir übers Gesicht. Selbst das Atmen geht ganz von alleine. Acht Stunden lang nix tun scheint am Anfang ein ziemlicher Selbstläufer zu sein. Anfangs wollte ich noch die Wolken am Himmel zählen, aber das erschien mir zu anstrengend.


Seit der Isla del Sol reise ich gemeinsam mit Stefan und seiner Freundin Silja durch die Gegend. Nach den ersten drei Stunden wache ich auf und unterhalte mich mit Stefan über...natürlich Fußball. Stefan ist ebenso Bayern-Fan und trinkt auch ganz gerne mal ein Bierchen. Die restlichen Stunden reden wir über Fußball, den Kaiser und warum Fußball und Bier trinken einfach zusammengehören.


Es wird dunkel und der Himmel zeigt ich von seiner schönsten Seite.


Dem Himmel so nah. Dem Grenzübergang auch.

Als es dunkler wird, wird es merkwürdig. Wir sind ein paar Kilometer vom Hafen entfernt. Das Schiff fährt weiterhin ohne Licht auf den Hafen zu. Zirka einen Kilometer vor dem Hafen werden wir alle unter Deck gebeten. Es brennt weder innen noch außen Licht. Wir sollen uns ducken und ruhig sein. Fragende Blicke, wohin ich gucke. Sind wir illegal auf dem Weg nach Peru? So langsam aber sicher kommen einem die Geschichten von gesunkenen Schiffen von illegalen Grenzübergängern in den Sinn. Wir fahren langsamer, der Kapitän schaltet einen Motor aus.

Es ist muxmäuschenstill im Boot. Wir sind ca. 100 Meter vom Hafen entfernt, da entdecke ich eine rote Taschenlampe am Hafen. Offiziell sieht das nicht aus. Fühlt sich auch nicht so an. Es scheint nicht so, dass der Kapitän WEISS, wo er anlegen soll. Ich überlege, wie weit ich wohl zum Ufer schwimmen kann, wenn das Boot jetzt untergehen sollte, denn wir sind mehr als die erlaubten 30 Personen an Board inklusive Gepäck. Ich überlege mir Schwimmszenarien, wie ich mit meinem Rucksack und meinem Netbook, auf dem ALLE Infos und Fotos sind, das Land erreiche. Glücklicherweise habe ich vor ca. 30 Jahren das Seepferdchen-Abzeichen mit Bravour bestanden, da sollte es doch machbar sein, mit kompletter Kleidung und einem Rucksack an Land zu schwimmen.

Als wir anlegen warten sechs Männer in Uniformen auf uns. Durchrennen und das Gepäck an Borad lassen oder alle in bester Steven-Segal-Manier kampfunfähig machen und dann mein Gepäck holen? Diese zwei Optionen schießen mir spontan in den Kopf. Da ich aber aktuell außer Training bin und mir nur zutraue, fünf Männer binnen zwei Sekunden fertig zu machen warte ich ab. Als wir anlegen und die ersten Personen das Schiff verlassen, tun die Polizisten genau das: nix. Wir nehmen unser Gepäck, ich grüße die Polizisten, während sie wahrscheinlich zeitgleich innerlich anfangen zu beten, dass ich sie nicht vor versammelter Mannschaft kampfunfähig gemacht habe und gehe in Richtung Migrations-Office, um den offiziellen Einreisestempel von Peru zu holen.

Auf dem Weg dahin laufen uns tausende Demonstranten entgegen. Die Stadt Puno streikt. Es geht nix mehr. Die gesamte Innenstadt ist dicht. Und so laufen wir mit Sack und Pack durch die dunklen Straßen. Der Wohlfühlfaktor liegt in dieser Situation bei 0. "Turistas" rufen sie uns hinterher. Ich suche nach Fluchtwegen.

Wie es weiter geht...in Kürze!

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