Montag, 22. August 2011

Ich bin ein Star, holt mich hier raus oder: Warum der Dschungel Fußball-Fan ist

Nachdem ich mit meinem Blog in der Zwischenzeit Weltruhm erlangt habe ist es an der Zeit, dass ich mich von meiner Berühmtheit etwas erhole und Zuflucht im Dschungel suche, wo es keine wilden Fans gibt, die mir hinterher laufen und ein Autogramm wollen. Ich buche bei Vincent eine dreitägige Dschungeltour am Amazonas in der Agentur gegenüber meines Hostels.

Ich bin ein Star, holt mich hier raus. Der Unterschied zwischen mir und den Z-Promis auf RTL, die sich in der gleichnamigen TV-Show in Australien im Dschungel der Lächerlichkeit preisgeben und Ekel-Aufgaben zu bewältigen haben, liegt darin, dass mich wahrscheinlich mehr Leute auf der Welt kennen als diese Pseudo-Berühmtheiten auf RTL, die noch nicht einmal auf der Straße erkannt werden und die z.B. irgendwann zu Beginn des Privatfernsehens Mitte der 80er Jahre mal eine Show moderiert haben und sich dann, wegen mangelnder Quoten, in Supermärkten und Autohäusern mit Autogrammstunden über Wasser gehalten haben und nun vor ihrem finanziellen Ruin stehen, da sie das „ganze“ Geld, was sie während ihrer „Berühmtheit“ eingenommen haben, in Nutten, Koks und „sichere“ Anlagegeschäfte investiert haben und RTL ihnen jetzt die wahrscheinlich letzte Chance geben wird, noch einmal mehr als den Hartz-IV-Regelsatz zu verdienen.

Und spätestens, nachdem auch der letzte gelangweilte TV-Zuschauer gesehen hat, dass es wahrlich genügend Gründe gibt, warum diese arbeitslosen Moderatoren, Models, Ex-Sänger oder was auch immer sie gemacht haben, im TV-Business sowie im realen Leben alles andere als erfolgreich waren, erkennen auch irgendwann die „Dschungelianer“, dass sie auf der ganzen Lebens-Linie versagt haben, die Show nun vorbei ist und ein neuer „Dschungel-König“ gekürt wurde und sie wieder zurück ins reale Leben müssen.

Allerspätestens hier wissen auch die Z-Promis selbst, dass Ruhm vergänglich und Geld nicht endlos ist und dass sie jetzt, ausgeschlossen aus allen Gruppen und Unternehmen, als bloßer Konsument von Luft, Wasser und der Arbeit anderer, konzentriert auf die Langeweile des Lebens, nur noch überzählige Exemplare der Gattung Mensch sind.

Der 30-jährige Vincent erläutert mir den Amazonas-Trip und erzählt mir nebenbei, dass er gestern seinen 30. Geburtstag hatte und für heute Abend eine Party für sich, vier seiner Freunde und ebenso vielen Frauen bei sich zu Hause organisiert hat. Seine Freundin wohnt übrigens zig Stunden von ihm entfernt, wurde nicht zur Party eingeladen und ist – wie er mir mitteilte – eine gläubige Christin, irgendwas um Ende 20 rum und wartet mit dem Sex bis zur Ehe. Was ihn jedoch nicht davon abhält, und um der Party den richtigen „Ausgang“ zu vermitteln, will er am Abend noch so etwas wie „natürliches Viagra“ – flüssig und legal erhältlich in jedem Supermarkt – kaufen, damit er und auch die Frauen die Party so richtig genießen können. „This stuff makes you fucking all night long, man“, wie er mir erzählt. Ich freu mich für Vincent, dass er seinen 30. Geburtstag aller Voraussicht nach so richtig genießen wird. Ich werde nicht zu dieser Party eingeladen, habe aber zirka eine Stunde später meinen Trip in den Amazonas gebucht für umgerechnet 160 € inklusive allen Transfers und Essen.

Am nächsten Morgen um acht Uhr geht’s dann los. Wir fahren zum Hafen und gemeinsam mit ein paar anderen Abenteuerlustigen fahren wir die erste halbe Stunde über den Amazons. Hier treffen zwei Amazonas-Ausläufe aufeinander und fließen – der eine Fluß schwärzlich, der andere hellbraun, nebeneinander her. Als wir nach zirka einer Stunde Fahrt in einem alten VW-Bus bei 40 Grad in das nächste Boot umsteigen müssen haben wir kurz Zeit, uns mit Getränken zu erfrischen. Die nächsten Minuten sollten mich in meiner Annahme bestätigen, dass Fußball die Welt regiert – auch am Amazonas.

Und so sieht er aus, der Amazonas, auf einer seiner Nebenstraßen. Links und rechts Grün und aus der Mitte entspringt ein Fluß.


Obwohl es erst zehn Uhr ist finde ich den Gedanken, einen kleinen Frühschoppen einzulegen, um auf den Amazons anzustoßen, nicht als die schlechteste aller Ideen. Und so gehe ich zu der großen Hütte, wo bereits Einheimische einen beachtlichen Durst am frühen Morgen haben und Billard spielen. Und dann, als ich das Bier bestelle, begrüßt mich der Amazonas mit dem vermeintlich besten Bier der Welt.

Ich hatte mit Vielem gerechnet. Mit warmen Bier, das ungenießbar ist, mit eiskaltem Bier, was man trinken kann. Dass mich der „Wirt“, der offensichtlich auch ganz gerne mal einen Frühschoppen zu sich nimmt und meiner Vermutung nach schon sehr früh an diesem Morgen damit angefangen hat, mir das Bier reicht, sende ich ein Stoßgebet zum Himmel. Ein Bier namens Kaiser! Es kann, ja – es muß! mit der Ehrerbietung an Franz Beckenbauer zu tun haben, dass sie hier in Brasilien ein Bier namens Kaiser haben. Ich bin zwar noch nicht lange hier in Brasilien, aber ein Pelé-Bier hab ich hier noch nicht gesehen. Es erübrigt sich also von selbst, zu fragen, wer der bessere und beliebtere Fußballer in Brasilien ist. Es ist Franz Beckenbauer, denn mehr Ruhm und Ehre, als ein eigenes Bier zu haben – noch dazu im Ausland – ist nicht möglich. Franz, du kannst es einfach!


Zweifelsfrei einer der schönsten Momente auf meiner Reise: Das Kaiser-Bier und ich. Augenblick, verweile doch!


Nachdem ich gefühlte Jahre innegehalten habe, das Kaiser-Bier, Franz Beckenbauer und nicht zuletzt mich selbst gefeiert habe, müssen wir wieder ins Boot einsteigen; die Fahrt geht weiter. Fast. Doch als ich den letzten eiskalten Schluck Kaiser-Bier in meinem Hals genieße kann und will ich meinen Augen nicht trauen. Eben noch in himmlischen Sphären vor mich hingeträumt wegen des Kaiser-Biers sehe ich nun das Gegenteil von Kaisers Fußball-Eleganz in Form eines Aufklebers auf dem Motor unseres Bootes.

Ich bin also hier im Dschungel, irgendwo im Nirgendwo am Amazons in Brasilien, ca. 18.000 km entfernt von Deutschland, weg von Köln. In der Hymne der 1. FC Köln heißt es: Üwwerall gibbet Fans vom FC Köln. Dass ich jetzt hier einen Aufkleber des 1. FC Köln an dem Motor unseres Bootes sehe, kann ich zuerst nicht glauben. Noch viel amüsanter ist jedoch die Tatsache, dass unter dem Aufkleber die Nummer 115 steht. Zum Zeitpunkt des Ausfluges ist es Sonntag, einen Tag also, nachdem der FC Köln gegen Schalke 1:5 verloren hat. Läßt man also die erste 1 der Nummer 115 weg, bleibt 15, 1:5, also das Ergebnis von Köln gegen Schalke. Hier WEISS ich: auch der Amazons ist ein Fußball-Fan. Für mich ist klar: Die Welt ist Fußball.


Willkommen im Amazons! Wir erreichen unsere Unterkunft. Ich bin positiv überrascht (wie damals Christof-ich-tue-das-weil-ich-ein-absolut-reines-Gewissen-habe-Daum, nachdem er des Kokainkonsums überführt wurde), denn ich hatte mir eine einfachere Unterkunft vorgestellt. Die Betten sind bequem, es gibt Licht, ein Moskitonetz und auch die sanitären Anlagen sind gefliest, sauber und versorgen uns mit Wasser. Auch die drei Mahlzeiten, die wir täglich bekommen, können sich durchaus sehen lassen.

Das Einzige, was mich stört, ist die italienische 8-köpfige Reisegruppe, wo man wieder einmal merkt, dass der Mensch vom Affen abstammt. Die Italiener sind – egal, was sie machen, einfach nur nervend, haben keine (Tisch-) Manieren und sind der Ansicht, auf der Stelle zu verhungern, da sie mit halbvollem Teller gleich noch einmal zum Buffet rennen, damit ja kein anderer mehr bekommt. Da ich die Halbfinal-Niederlage von 2006 noch immer nicht vergessen habe werde ich einen Teufel tun, und mich mit diesem Gesindel unterhalten, wenngleich ich den Joker „Vorrunden-Aus Fußball-WM 2010“ selbstverständlich parat habe.


Da ich meine Nerven nicht weiter belasten möchte ignoriere ich alles Italienische und freue mich auf das Abenteuer Amazonas. Wir gehen Piranhas fischen, das nur deshalb erwähnenswert ist, da es Piranhas sind, wenn auch kleine. Da wir kein Huhn dabei haben, das wir opfern können und uns somit vermeintlich ein blutiges Spektakel entgeht fangen wir insgesamt acht kleine Piranhas und machen uns wieder zurück. Selbstverständlich habe auch ich einen Piranha gefangen. Auf dem Weg zurück sehen wir noch Delfine, wo ich intuitiv an Flipper denke und hoffe, dass, falls wir entern, Flipper und seine Familie uns von hier aus direkt zu unserer Unterkunft bringen, bevor Herr und Frau Piranha mit seinen Verwandten an uns ein blutiges Massaker anrichten.

Am Abend geht unser Guide einen Kaiman fangen. Ich hatte gehofft, dass wir einen großen Alligator aufspüren und es mit einem kleinen Schwein zur Fotosteilvorlage füttern, aber man kann nicht alles haben. Immerhin bin ich so mutig und küssen den Kaiman, der von zwei Leuten festgehalten werden muß:


Am nächsten Morgen machen wir uns auf zu unserer nächsten Unterkunft, einer kleinen „Hütte im Amazonas“. Wir schlafen in Hängematten, grillen Hähnchen und lauschen der Sinfonie des Dschungels. Unser Guide zeigt uns, wo man Würmer findet, dass man Ameisen zerdrücken kann und sie somit als natürliches Mittel gegen Moskitos verwenden kann und dass man Wasser aus Bäumen trinken kann.


Und dann fliege ich noch wie Tarzan an einer Liane durch den Dschungel. Johnny Weissmüller, der fünffache Olympiasieger und legendäre Tarzan-Darsteller, wäre stolz auf mich:


Zufällig und äußerst selten zu sehen kommen wir in den Genuß, ein Faultier zu sehen. Zuerst dachte ich, das ist merkwürdig, da ich mir nicht vorstellen konnte, dass mein Kumpel Jeric sich hier in den Amazonas verirrt hat…Hier das Foto. Oben das Original, unten die Fälschung mit Faultier-Teilzeit-Papa Larsinho.

Hier das Original-Faultier:


Und die Fälschung (hier links im Bild mit Zieh-Papa Larsinho)


Am nächsten Morgen genießen wir um 5.30 Uhr noch den Sonnenaufgang und fahren dann wieder zurück nach Manaus.


Und Dschungelkönig wird sowieso nur, wer eine Krone hat:


Ich bin ein Star. Holt mich hier raus.

Euer Larsinho

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